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Blogbeitrag: Freiwillig aktiv

Neue Frisur und neuer Anfang

06. Dezember 2019

„Freiwillig aktiv zu sein bedeutet für mich etwas für andere zu tun, die Hilfe brauchen. Eine Freundin hat mich gebeten einmal auszuhelfen und weil es so nett war, bin ich als Freiwillige geblieben. Jeder von uns kann mal in die Lage kommen, Hilfe zu brauchen und es geht schneller, als man denkt! Und wer, wenn nicht ich, weiß das?

Ich habe über Nacht meinen Partner durch seinen überraschenden Tod verloren und stand mit meinen zwei Kindern plötzlich alleine da. Ich hatte einen sehr guten Rückhalt durch meine Familie, Freunde und Kollegen. Wer weiß, hätte ich das nicht gehabt, wo ich heute wäre? Deshalb ist es mir ein besonderes Bedürfnis, Menschen, die in einer Notlage sind, zu unterstützen.“

Seit Juli 2019 bin ich bei Obdach Wien freiwillig aktiv. Damals habe ich beim Obdach Wien Wohlfühltag mitgearbeitet. Seither engagiere ich mich regelmäßig als Frisörin in unterschiedlichen Obdach Wien Einrichtungen – je nachdem, wo gerade Bedarf ist. Ein Frisörbesuch kann teuer sein und viele der BewohnerInnen von Obdach Wien, haben dafür kein Geld. Deshalb spende ich meine Zeit und schneide Haare – so oft es mir möglich ist, derzeit rund einmal pro Woche.

Das läuft üblicherweise so ab: Gemeinsam mit der Freiwilligenmanagerin, Judith Korvas, mache ich mir Termine für „Frisöraktionen“, so nennen wir das, aus. Ich erfahre bereits im Vorfeld viel über die jeweilige Einrichtung z.B. was ist das Angebot, wer sind die NutzerInnen. Am Einsatztag treffen wir uns vor Ort. Spiegel, Verlängerungskabel, Kaffee und Wasser etc. stehen schon bereit. Ich komme mit meinem Frisörkoffer, dem Umhang, dem Föhn, den Scheren und was ich halt so alles brauche an und baue auf. Meistens warten die BewohnerInnen schon vorfreudig auf mich. Letztens saßen sie schon aufgereiht da und ich wurde mit freundlichen „Hallos“ von allen Seiten willkommen geheißen. Und dann, ja dann ist es wie beim Frisör eben. Ein netter Nachmittag. Es wird beraten, geschnitten getratscht, getrimmt, gelacht und die Haare landen am Boden. Oft schütteln die BewohnerInnen damit aber auch Altlasten ab. Meistens sind zwei Frisörinnen vor Ort und nach wenigen Stunden, haben wir vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Bei der letzten Frisöraktion hat sich ein Herr eine Kompletttransformation gewünscht: Haare ab, Bart ab. Er sah wirklich ganz verändert aus. Selbst sagte er: „Ich fühle mich jetzt so leicht und gut“, und bedankte sich von Herzen bei mir. Er war wahnsinnig mutig, so eine Radikalveränderung durchzumachen. Ein ganz neuer Mann kam da zum Vorschein.

Eine junge Bewohnerin mit langen schwarzen Haaren nahm als nächstes bei mir Platz. Sie sah mich durch den Spiegel an, griff sich in die Haare und sagte: „Ich hab mich verändert und meine Frisur soll sich auch ändern. Eine neue Frisur ist ein Neuanfang.“ Und wer kennt das nicht, dieses Gefühl, dass ein neuer Haarschnitt mehr symbolisiert, als nur eine kürzere Mähne? Mehr Selbstbewusstsein, mehr Selbstwert, mehr Mut, für das, was vor einem liegt. Und das empfinden nicht nur meine KundInnen bei Obdach Wien so. Ich gehe mit den gleichen Gefühlen nach meiner freiwilligen Frisöraktion bei Obdach Wien nach Hause.“

Patricia ist Frisörin und engagiert sich als „Profi“ bei Obdach Wien. Mehr zur freiwilligen Tätigkeiten bei Obdach Wien.