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Zwei mal 30 Jahre

Eine Zeitreise

06. Dezember 2019

Hipphipp, Hurra! Obdach Wien feiert das 30-jĂ€hrige Bestehen von Obdach GĂ€nsbachergasse & Obdach Josi. Anlass fĂŒr eine kleine Zeitreise in Text, Bild und Video.

Obdach Wien-GeschĂ€ftsfĂŒhrerin und Zeitzeugin Monika Wintersberger-Montorio erinnert sich:

Ein breit gefĂ€chertes Angebot fĂŒr Menschen ohne Obdach oder Wohnung vom niederschwelligen Bereich der Straßensozialarbeit und der Tageszentren ĂŒber betreute Wohnangebote bis zur Nachbetreuung in den eigenen vier WĂ€nden – was heute eine SelbstverstĂ€ndlichkeit zu sein scheint, steckte in den 1980-er Jahren noch in den Kinderschuhen.

Keine Strukturen vorhanden

Es gab keine Strukturen in der Wohnungslosenhilfe, lediglich die StĂ€dtischen Herbergen Kastanienallee, GĂ€nsbachergasse 3, Meldemannstraße und einige mehr sowie Einrichtungen der Caritas und Heilsarmee. Darin befanden sich Mehrbettzimmer oder abgewohnte Kleinstzimmer, die etwa mit ausrangierten Spitalsmöbeln ausgestattet waren. „Das, was ĂŒbrig geblieben ist, haben die Obdachlosen bekommen“, erinnert sich Monika Wintersberger-Montorio.

„Es handelte sich um eine reine Unterbringung, allerdings in den allermeisten FĂ€llen ohne die Möglichkeit zum Tagesaufenthalt. Die ZustĂ€nde waren fĂŒr die, die dort lebten, und fĂŒr die, die dort arbeiteten, erbĂ€rmlich. Menschen lagen in ihren eigenen Ausscheidungen, es herrschte ein entsetzlicher Geruch, gereinigt wurde mit dem Wasserschlauch. Förderung und UnterstĂŒtzung waren im Konzept nicht vorgesehen, was dazu fĂŒhrte, dass diese HĂ€user fĂŒr viele zur Endstation wurden.“

Steigender Bedarf

Mitte der 1980-er Jahre nun stieg aber der Bedarf an PlĂ€tzen, nicht zuletzt wegen der Psychiatriereform, durch die viele Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen buchstĂ€blich auf der Straße standen. Daher wurde ein Neubau in der GĂ€nsbachergasse 7 geplant. Vorgesehen war zunĂ€chst ein siebenstöckiges GebĂ€ude mit 400 WohnplĂ€tzen, mit Überwachungskameras und vergitterten Fenstern.

Lang ist’s her: Das Team des Obdach GĂ€nsbachergasse (in der 1. Reihe, 2. v. r., Monika Wintersberger-Montorio) bei der Eröffnung. (Bild: FSW)

Monika Wintersberger-Montorio und ihr Kollege Sepp Schmidt, die damals beim Sozialamt tĂ€tig waren, schalteten sich in die Planung ein. „Uns war wichtig, dass es ordentliche WohnrĂ€ume gibt, die BewohnerInnen in einem GruppengefĂŒge Eigenverantwortung ĂŒbernehmen und es vor allem sozialarbeiterische UnterstĂŒtzung gibt. Ziel war, dass die Menschen nur eine Zeitlang bei uns bleiben und danach wieder eigene vier WĂ€nde beziehen. 30 Jahre spĂ€ter lĂ€sst sich sagen: Das Konzept ist aufgegangen.“

Ein Beispiel: Konrad E. hat noch nie eine eigene Wohnung bewohnt, schlĂŒpfte mal hier unter und mal da, hat Alkoholprobleme und Depressionen. Er wird ins Obdach GĂ€nsbachergasse (damals noch Wohnheim GĂ€nsbachergasse) aufgenommen und stabilisiert sich soweit, dass er beruflich wieder Fuß fassen kann. Herr E. beginnt, seine Schulden zurĂŒckzuzahlen und bildet sogar RĂŒcklagen. Zweieinhalb Jahre nach seinem Einzug kann Herr E. eine Gemeindewohnung beziehen.

Niederschwellige Versorgung im Tageszentrum

Das Tageszentrum Obdach Josi in seinen AnfÀngen. (Bild: FSW)

Nahezu zeitgleich begannen die Planungen fĂŒr ein Tageszentrum in der U-Bahnstation JosefstĂ€dter Straße, damals ebenfalls noch ein sehr neues Konzept in der Wohnungslosenhilfe, heute ein Standard. Die ursprĂŒngliche Idee der GrĂŒndervĂ€ter war ein „Kraftkammerl“ fĂŒr akut obdachlose Menschen. Stattdessen entschloss man sich, einen Raum einzurichten, in dem sich die Menschen tagsĂŒber aufwĂ€rmen, etwas kochen oder einfach nur ausruhen konnten.

2009, 20 Jahre nach der Eröffnung, wurde das Obdach Josi auch fĂŒr Menschen ohne eigentliche AnsprĂŒche auf Leistungen der Wiener Wohnungslosenhilfe, also etwa AuslĂ€nderInnen, geöffnet. „Das war einerseits ein Herzenswunsch des Teams, andererseits war es auch beim Fonds Soziales Wien, der das Tageszentrum finanziert, immer klar, dass es Platz fĂŒr Menschen braucht, die in Not sind – egal, woher sie kommen.“

Und heute?

In der Wohnungslosenhilfe ist VerĂ€nderung eine Konstante. So wie vor 30 Jahren steht Obdach Wien auch heute wieder vor neuen Herausforderungen. Das Angebot an leistbarem Wohnraum wird knapper und knapper. Das Angebotsspektrum muss stets auf seine Tauglichkeit ĂŒberprĂŒft und entsprechend angepasst werden. Und die Beteiligung wohnungsloser Menschen an der Gestaltung dieser Angebote wird immer wichtiger.

Obdach Wien-GeschĂ€ftsfĂŒhrerin Doris Czamay verrĂ€t mehr dazu: