Er war ganz oben und dann ganz unten. Heute steht Herr Philip Nussbaumer wieder mitten im Leben und erzählt im Interview, wieso er sich engagiert und seine Grillaktionen mehr sind als nur ein Essen.
Herr Nussbaumer, wieso engagieren Sie sich für obdachlose Menschen bei Obdach Wien?
Ich habe ein gutes Leben geführt, bis ich mir zu viel aufgebürdet habe. Daran ist meine Beziehung zerbrochen und ich habe in der Folge alles verloren: das gemeinsam gebaute Haus, den täglichen Kontakt zu den Kindern, meine Firma und meine psychische Balance. Knappe zwei Monate war ich obdachlos. Jeder Tag war eine Herausforderung. Armut und Obdachlosigkeit habe ich am eigenen Leib erfahren. Ein Freund nahm mich unter seine Fittiche, brachte mich wieder in Balance und machte einen Grillmeister aus mir. Da ich schon immer ein sozialer Mensch war, war mir klar: Sobald ich kann, helfe ich anderen!
Was tun Sie für obdachlose Menschen?
Grillen, und das mit Leidenschaft! Es ist viel Arbeit, wenn ich für über 200 Personen in einer Einrichtung von Obdach Wien grille. Das sind dann ca. 50 Kilo Fleisch und 200 Liter Cola, Eistee und Co. Aber wenn ich dann hinter dem heißen Rost stehe, ist das wie Urlaub. Gut mariniertes Fleisch, schmackhafte Beilagen und Getränke, das ist doch für jeden etwas Besonderes. Aufgrund der Corona-Pandemie gibt es das Essen ausschließlich „to go“. Der Freude tut das aber keinen Abbruch!
Bei meinen Grillbesuchen bringe ich auch immer Kleidung, Schuhe und Hygieneartikel mit, alles Sachen, die ich aus Erfahrung zu schätzen gelernt habe! Für viele ist es alltäglich, sich die Zähne zu putzen. Wenn man aber keine Zahnbürste hat, schaut das gleich anders aus!
Was war der bisher beste Moment?
Als ich vor zwei Jahren im Obdach Siemensstraße begonnen habe, die Griller aufzubauen, hat mich ein Bewohner gefragt, ob er mir helfen kann. Seitdem ist er bei jeder Grillaktion dabei. Wir wurden Freunde und ich unterstütze ihn. Er wohnt nun in einer Wohnung und bereitet sich auf den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt vor. Ein kleiner Moment vor einigen Jahren hat viel bewirkt.
Wie würden Sie Ihre Grillaktionen beschreiben?
Wunderschön, inspirierend und motivierend. Denn da merke ich, dass wir alle dieselbe Herzenssprache sprechen und ich ein Lächeln ins Gesicht des Gegenübers zaubern kann. Wo andere noch diskutieren, dass sie gerne helfen würden, fange ich schon damit an. Ich gehe mit gutem Beispiel voran, denn jedeR kann helfen. Es ist ganz einfach!
Unterstützungsmöglichkeiten bei Obdach Wien
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, obdachlose Menschen zu unterstützen. Klicken Sie hier, wenn Sie sich freiwillig engagieren oder spenden wollen.