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Aktuelles

Treue Weggefährten

16. Oktober 2020

Sicherheit, Struktur, Entspannung und Aufmunterung, all das schätzen TierbesitzerInnen, egal wo und wie sie wohnen.

Tiere sind treue Begleiter, geliebt wie ein Familienmitglied und häufig auch die letzten verbliebenen Kontakte für obdach- und wohnungslose Menschen. Sie helfen, schlimme Krisen zu überstehen und wieder auf die Beine zu kommen.

Unzertrennlich

Das beobachtet auch Sozialarbeiterin Iris Hollendonner, die im Obdach Gänsbachergasse arbeitet und sich auf das Thema Tiere in der Wohnungslosenhilfe spezialisiert hat. „Wir schaffen immer mehr Plätze, damit obdach- und wohnungslose Menschen mit ihrem Liebling einziehen können. Und das ist gut so“, sagt sie. Denn das eigene Tier wegzugeben, kommt für viele nicht in Frage.

Frau M. weiß das aus eigener Erfahrung. „Als es darum ging, einen Wohnplatz zu finden, habe ich gesagt: Micky bedeutet mir alles. Ich habe alles verloren, außer ihn. Ohne ihn ziehe ich nicht ein, da schlafe ich lieber auf der Straße!“ Sie bekam einen Wohnplatz im Obdach Gänsbachergasse und ihr Hund durfte mit einziehen.

Herr S. lebte ein Jahr auf der Straße, bevor er ins Obdach Gänsbachergasse kam. Angebote von Bekannten, ohne Dackeldame Hope bei ihnen unterzukommen, schlug er kategorisch aus. Sie blieben zusammen. Wo er seine Jacke ausbreitete, schlief die Hündin. Das war auch manchmal in einem Keller oder einer öffentlichen Toilette. Schließlich zogen sie gemeinsam dankbar ins Obdach Gänsbachergasse, wo Hope weiterhin Halt und Sicherheit gab, Struktur in den Alltag brachte und nun neben Herrn S. Bett schlief. „Ohne ihre treue Seele und ihren quirligen Charakter hätte ich meinen Weg nicht so gut gehen können“, sagt der Hundebesitzer.

Für ihre Tiere übernehmen die akut oder ehemals obdachlosen Menschen Verantwortung, werden sie doch vorurteilsfrei und bedingungslos geliebt. Dafür bekommen die Vierbeiner mehr als genug Streicheleinheiten. Nicht nur vom eigenen Frauchen oder Herrchen: Lachend erzählt etwa Frau S.: „Meine Katzendamen erobern langsam, aber sicher, die ganze Wohngruppe. Fast in jedem Zimmer am Gang sind sie regelmäßig zu Gast.“

Türöffner

Sozialarbeiterin Iris Hollendonner unterstreicht: „Oft sind Micky und Co. nicht nur die letzten verbliebenen Kontakte, sondern wirken darüber hinaus der Einsamkeit entgegen. Sie helfen, Gespräche mit anderen BewohnerInnen oder SozialarbeiterInnen zu führen. Mir gelingt der Einstieg in ein Beratungsgespräch leichter, das Vertrauen ist schneller gefasst, wenn wir uns anfangs locker über die Fellnasen unterhalten. Zudem wächst das Selbstvertrauen der Tierbesitzer, sie können besser mit Stress umgehen und sind motiviert.“

Wie richtig sie damit liegt, zeigt, dass Frau M. und ihr Micky inzwischen zusammen in eine eigene Wohnung gezogen sind.

Über das Obdach Gänsbachergasse

Wohnungslose Frauen, Männer und Paare finden hier in Einzel- oder Paarzimmern ein geschütztes Umfeld. Tiere sind willkommen, da sie die BewohnerInnen auf ihrem Weg in die eigene Wohnung unterstützen, Verantwortung, Motivation und Selbstbestimmung stärken. Derzeit leben 9 Hunde, drei Katzen und zwei Vögel bei 10 BewohnerInnen im Obdach Gänsbachergasse. Ein Garten, der Hobby- sowie der Fitnessraum und die Bibliothek bieten zudem Platz für Freizeitaktivitäten und Entspannung.

*Nach den Interviews zu diesem Beitrag kam Dackeldame Hope bei einem Verkehrsunfall uns Leben. Mit überwältigender Anteilnahme haben die Wohngruppenmitglieder rund um Herrn S. zusammengelegt und eine Bestattung am Tierfriedhof ermöglicht.