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Aktuelles

Eine Kerze zu Allerheiligen

29. Oktober 2020

Egal in welcher Lebensphase man ist, Freunde braucht man immer und kann sie überall finden. Herr K. musste von Zuhause ausziehen, schlief einige Zeit in einer Notschlafstelle und war seit ein paar Tagen Bewohner im Obdach Leo, als er im Aufzug mit Bewohner Harald ins Gespräch kam. Unverhofft fand er so in einer schweren Zeit den Freund seines Lebens.

Die beiden verstanden sich auf Anhieb blendend und bald entwickelten sich gemeinsame Rituale. Herr K. brachte jeden Morgen Kaffee, Mehlspeisen und frisch gepressten Orangensaft ins Zimmer seines besten Freundes. Oft kochten sie zusammen, spielten Videospiele, gingen spazieren oder unterhielten sich stundenlang. Das waren die guten Tage.

Die weniger guten Tage waren gekennzeichnet durch Haralds Suchterkrankung und die damit einhergehenden gesundheitlichen Probleme. Doch wahre Freunde halten zusammen. Wenn Harald nur langsam gehen konnte, spazierten sie eben langsam. Aber dennoch unternahmen die beiden Ausflüge in den Zoo, in Parks oder Museen. Herr K. begleitete Harald zu Arztterminen und besuchte ihn im Krankenhaus. Ihren Ritualen blieben sie auch dort treu und Herr K. kam mit Kaffee, Mehlspeise oder Orangensaft ans Krankenbett, um Harald aufzupäppeln.

Abschied nehmen

Schließlich jedoch erholte sich Harald nicht mehr und die Nachricht seines Todes erreichte Herrn K. in seinem Zimmer im Obdach Leo, als er sich gerade für einen weiteren Besuch im Krankenhaus fertigmachte. „Da brach eine Welt für mich zusammen“, schildert er den Moment, an den er sich allzu gut erinnert. Die MitarbeiterInnen von Obdach Wien standen ihm in dieser Zeit und bei der Trauerbewältigung zur Seite. Geholfen hat ihm, dass er sich beim Begräbnis verabschieden konnte, die außergewöhnliche Freundschaft in einem Tagebuch niederschrieb und das Grab immer wieder mit Engeln oder Blumen schmückte.

Wiedersehen

Nach und nach überwand er die Trauer und fand neue Freunde. „Niemand kann Harald ersetzen, aber ich bin froh über meine neuen Kontakte“, sagt Herr K. Heute wohnt er in einer Wohnung und beklagt, dass er Harald diese nicht mehr zeigen und nicht mit ihm dort kochen kann. Jeden Tag vermisst Herr K. seinen besten Freund. Aber er ist sich sicher: „Verstorbene leben in unseren Herzen weiter. Ich werde ihn irgendwann wiedersehen. Bis dahin besuche ich sein Grab, sehe mir Fotos an, denke oft an ihn und zünde eine Kerze für ihn an.“

Was ihm geholfen hat und immer noch hilft, möchte er anderen die trauern, raten:

Herr K


„Erinnern wir uns an das Schöne, das wir zusammen erlebt haben!“

Über das Obdach Leo

Im sogenannten Dauerwohnhaus für ehemals obdachlose Männer wohnen 48 Männer, die nicht alleine leben können. 24 Stunden am Tag ist eine oder sind mehrere Mitarbeiterinnen oder ein Mitarbeiter von Obdach Wien im Haus und für die Anliegen der Bewohner rund um gesundheitliche oder finanzielle Belange da. Ziel ist es, ein gutes und adäquates Wohnen zu ermöglichen. Daher nehmen einige Bewohner auch Zusatzangebote wie Essen auf Rädern, Heimhilfen und Sozialarbeit in Anspruch.