17. Juni 2022
Der Krieg in der Ukraine zwingt zahlreiche Frauen und Kinder zur Flucht. Eine trockene Aussage, hinter der viele Einzelschicksale stehen. Etwa die von drei Generationen von Frauen, die in einer Wohnung von Obdach Grundversorgung mobil eine Bleibe und Halt gefunden haben.
Die Sonne scheint durch die frisch gewaschenen Gardinen und es duftet nach Tee. Drei Generationen von Frauen sitzen im hellen und sauberen Wohnzimmer einer Wohnung, die von Obdach Grundversorgung mobil zur Verfügung gestellt wurde. Sie mussten vor dem Krieg in der Ukraine flüchten: zu verschiedenen Zeiten und über verschiedene Routen. Vor etwa einem Monat konnten sie sich alle in Wien in die Arme schließen.
Über Nacht war Krieg
Die Pensionistinnen Tetyana S. und ihrer Nachbarin Larysa V. ergreifen als Älteste das Wort: „Wir möchte unseren Dank aussprechen. An dieses Land, an die Menschen hier und an Obdach Wien. Das erste Mal seit Kriegsbeginn können wir aufatmen!“ Die Augen der Enkelinnen von Tetyana werden bei der Erwähnung des Krieges traurig. Kira, das älteste der Mädchen, erinnert sich: „Wir sind am 24. Februar aufgewacht und unsere Eltern sagten uns, dass nun Krieg sein. Kurz darauf haben wir die ersten Explosionen gehört.“ Ihre sonst so fröhliche Mutter Olena R. erklärt: „Kaum jemand hätte das für möglich gehalten. Von einem Tag auf den anderen war es Realität.“ Trotzdem wollte die Familie so lange wie möglich in Odessa - ihrem Zuhaue - bleiben. „Unser Leben ist dort: Unsere Männer und Sohne, unsere Häuser, unsere Familien und Freunde – alles ist dort.“
Wir konnten nichts tun
Die älteste Generation musste als erste fliehen. Oma Tetyana S. und ihre Nachbarin Larysa V. konnten zuhause nicht helfen. Sie konnten sich nicht einmal in Sicherheit bringen, da sie aufgrund ihres hohen Alters und von Hüfterkrankungen den Weg in die Schutzbunker nicht ständig bewältigen konnten. Sie stiegen in einen Zug nach Wien. Die beiden Frauen hielten zusammen und kamen schließlich an. Aber der Weg hatte Spuren hinterlassen. Die Hüfte von Tatiana hatte nicht mitgemacht. Sie kam ins AKH und wurde operiert: „Ich kann gar nicht ausdrücken, wie dankbar ich für dieses zweite Leben bin, das mir geschenkt wurde.“
Zeit, zu gehen
Im April wurden die Angriffe immer stärker. Olena R erinnert sich: „Als die Fenster und der Fernsehbildschirm in der Wohnung durch eine starke Druckwelle zerbrachen, wusste ich, dass ich meine Kinder in Sicherheit bringen muss. Es war einfach schon zu nahe!" Sie packte die Sachen ihrer beiden Töchter. Doch wohin? Ihre Schwägerin Olena Y. hatte eine Idee. Als angesehene Trainerin hatte sie Kontakt zur polnischen Eislauf-Union. Ihr wurde Hilfe angeboten.
Spenden Sie für die Ukraine Flüchtlingshilfe
Frauen und Kinder haben auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine fast alles verloren. Mit Ihrer Geldspende können wir rasch und unbürokratisch dringend benötigte Dinge des täglichen Bedarfs ersetzen.
Die Träume kommen mit
Vor dem Krieg bereitete Olena Y. Kinder auf internationale Wettbewerbe vor. Auch ihre eigene Tochter und die Töchter ihrer Verwandten Olena R. Alle drei Mädchen, die heute im Wohnzimmer sitzen, haben in friedlichen Zeiten Pirouetten auf dem Eis gedreht und von einem Stockerlplatz geträumt. „Wir konnten nicht viel von Zuhause mitnehmen. Aber die Schlittschuhe kamen mit. Dafür haben wir andere wichtige Dinge zurücklassen müssen. Aber der Sport ist nun mal Teil unserer selbst, den wollen wir nicht verlieren“, so Olena Y.
Wien ist wie Odessa
Die zwei Frauen und die Kinder blieben eine Zeit lang in Polen. Mussten immer wieder Umziehen und suchten nach Arbeit. Am Ende einer langen Odyssee, trafen sich alle in Wien. „Wir sind allen dankbar, die uns auf diesem Weg geholfen haben. Es gab so viele nette Menschen in Polen und auch auf dem Weg nach Österreich. Aber hier ist der Ort, an dem wir das erste Mal wirklich durchatmen konnten.“ Olena R. schwärmt, dass Wien Odessa sehr ähnelt: „Eine ähnliche Architektur, ähnlich offene Menschen und auch die gleiche Vielfalt. Wir haben an die 140 Nationen, die im Frieden in der Millionenstadt zusammengelebt haben. Alle waren willkommen und alle waren Freunde! Möge es bald wieder so sein!“
Und was jetzt?
Olena R. erklärt: „Dank Obdach Wien haben wir nicht nur eine Bleibe, sondern auch Betreuung. Betreuerin Bianca Löhlein ist unser Engel. Sie unterstützt uns bei allem, bis wir uns selbst orientieren können. Und dann wollen wir auch was tun! Die Sprache lernen, arbeiten, alles, was zum Leben dazugehört!“ Gleichzeitig zieht es sie nach Hause. Sie hat Mann und Sohn in der Ukraine zurückgelassen. Und ihr eigenes Enkelkind, dass mitten im Krieg zur Welt gekommen ist. Die Familie lebt Tag für Tag, setzt sich kleine Ziele und erreicht sie. Alle drei Generationen hoffen aber auf eines: auf Frieden und darauf, dass nie wieder jemand vor Krieg fliehen muss.




