Frauen in schwierigen Situationen zu unterstützen, das ist es, was Tanja S. beruflich schon immer machen wollte. Angefangen hat sie als Reinigungskraft, heute erfüllt sie sich im Obdach Ester ihren Traumjob, wie sie selbst erzählt.
Wie hast du deinen Berufswunsch wahr gemacht?
„Ich habe in fast allen Obdach Wien Einrichtungen als Reinigungskraft gearbeitet. Aber mein Herzenswunsch war seit jeher, Betreuerin im Obdach Ester zu werden. Ich will Frauen mit aller Kraft unterstützen! Dafür habe ich Schritt für Schritt meinen Plan verfolgt und die Ausbildung zur Sozialbegleiterin in Bildungsteilzeit gemacht, das hat zwei Jahre gedauert. Eine ehemalige Kollegin hat mich dabei unterstützt. Dafür bin ich dankbar.“
Was braucht man als Betreuerin in einem Tageszentrum wie dem Obdach Ester?
„Der Gedanke, dass Frauen wohnungs- oder obdachlos sind, macht mich traurig. Und deswegen bin ich da. Es gibt viele Gründe, warum Frauen obdachlos werden und es kann jeder passieren. Oft ist es eine Scheidung, die zur Folge hat, dass sie sich die Wohnung nicht mehr leisten können oder psychische Krisen nach einem Schicksalsschlag. Man muss Motivation haben, Geduld und Verständnis. Das ist das Wichtigste. Auch Stressresistenz und Kommunikationsfähigkeit, am besten in mehreren Sprachen oder sonst mit Händen und Füßen brauchen wir Betreuerinnen.“
Was ist heute anders für dich als früher?
„Als Reinigungskraft sind die Aufgaben immer gleich und man ist oft unsichtbar. Heute als Betreuerin habe ich mehr Selbstvertrauen, werde mehr geschätzt, sowohl von den wohnungs- und obdachlosen Frauen als auch von den KollegInnen. Ich fühle mich nicht mehr so unbedeutend. Außerdem ist jeder Tag im Obdach Ester anders und abwechslungsreich. Das freut mich enorm. Am besten gefallen mir die Gespräche mit den Frauen und wenn wir Ausflüge zusammen machen. Ich organisiere die Ausflüge und da herrscht immer eine ganz besondere Stimmung, alle sind gelöster, offener und lustiger. Der Ausflug ins Schokomuseum war eindeutig der beliebteste. Und süßeste! Bei der Führung haben wir natürlich viel genascht.“
Wie sieht ein normaler Arbeitstag für dich im Obdach Ester aus?
„Wir Mitarbeiterinnen kommen vor allen obdach- und wohnungslosen Frauen in die Einrichtung. Als erstes richten wir das Frühstück für die Frauen her, danach haben wir eine Teambesprechung. Sobald die Frauen reinkommen, schauen wir, dass sie gleich alles haben, was sie brauchen. Egal, ob das ein Handtuch und Duschgel, der Zugang zur Waschmaschine, ein Bett, die Ausgabe der Post oder Beratung ist. Jeden Nachmittag gibt es andere Aufgaben. Unsere Hauptaufgabe ist es immer, die Frauen zu unterstützen.“
Was ist der beste Moment bisher gewesen?
„Ich habe fast jeden Tag einen herausragenden Moment! Ein Beispiel: Eine Nutzerin redet fast nicht und kommt wegen der Basisversorgung, also weil sie duschen oder Wäsche waschen will, sich aufwärmt oder einen Bissen essen mag. Gestern hat sie mich angelacht und gesagt „Du bist nett. Ich kann nicht mit jedem reden. Aber du bist irgendwie anders.“ Solch eine Interaktion ist viel wert. Insgesamt sind es die Offenheit und Ehrlichkeit der Frauen, die mich berühren. Sie reden mit mir, wenn sie etwas auf dem Herzen haben, oder bedrückt sind. So findet echter Kontakt statt, das Vertrauen in mich wird sichtbar und ich sehe wo ich sie unterstützen kann. Und das mache ich natürlich gern! Wenn ich einer Frau helfen konnte, und sie glücklich ist, bin ich das auch.“
Haben sich Fortbildung und Umstieg gelohnt?
„Auf jeden Fall! Meine Tätigkeit als Betreuerin erfüllt mich. Wenn ich es geschafft habe, um- und aufzusteigen, ist das für alle möglich!“
Es ist spürbar, dass Tanja Stojanovic ihren Traum wahr gemacht hat und mit Leib und Seele Betreuerin ist. Für die Zukunft hat sie sich vorgenommen, sich immer weiterzuentwickeln und noch besser für die wohnungs- und obdachlosen Frauen und ihre Kolleginnen da zu sein. Und was sie sich in den Kopf setzt, setzt sie ja erwiesenermaßen auch um.
Über das Tageszentrum Obdach Ester
365 Tage im Jahr können wohnungs- und obdachlose Frauen im Obdach Ester duschen, Wäsche waschen, sich ausruhen, etwas essen oder sich Unterstützung vom Team holen, gratis und ohne Anmeldung. Wenn Sie obdachlose Frauen unterstützen möchten, freuen wir uns über Ihre Spende.