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Interview

Ein Rucksack voll Unterstützung

09. April 2020

Carmen ist Straßensozialarbeiterin bei Obdach unterwegs und ist auch derzeit für obdachlose Menschen da. Im Interview gibt sie Einblicke in ihren Arbeitsalltag und erzählt uns von Veränderungen, Herausforderungen und schönen Momenten. Aber zuerst zeigt uns Carmen, wie sie sich für einen Arbeitstag vorbereitet.

Was hat sich an deiner täglichen Arbeit seit Ausbruch der Coronapandemie geändert?

Als Straßensozialarbeiterin lege ich täglich viele Kilometer zurück, da merkt man jede Veränderung in der Stadt. Momentan sind kaum Menschen unterwegs. Deshalb sind obdachlose Menschen im öffentlichen Raum sichtbarer. Es wird deutlich, wer nicht „nach Hause“ gehen kann in dieser schweren Zeit. Die Arbeit der Straßensozialarbeit ist deshalb derzeit wichtiger denn je. Welche Notquartiere haben offen? Wo wird Essen ausgegeben? Wo kann ich mich waschen? Das werden wir täglich gefragt. Denn für viele obdachlose Menschen sind wir StraßensozialarbeiterInnen die einzige verlässliche Informations- und Versorgungsquelle. Wir geben Auskunft über aktuelle Versorgungsangebote oder geltende Hygienevorschriften. Um uns alle bestmöglich zu schützen, haben auch wir unser Verhalten der aktuellen Situation angepasst. Wir vermeiden körperlichen Kontakt und halten den Mindestabstand ein. Gleichzeitig ist es aber nach wie vor unsere wichtigste Aufgabe Nähe und Vertrauen herzustellen – trotz dem erforderlichen physischen Abstand.

Wie gefährdet sind obdachlose Menschen?

Viele haben Vorerkrankungen, sind vom Leben auf der Straße gesundheitlich geschwächt und zählen zur Risikogruppe. Hinzu kommt, dass sie ja nicht einfach nach Hause gehen können zum Hände waschen, sich ausruhen, Essen kochen etc. Viele wissen auch nicht so recht, was gerade vor sich geht. Sie konsumieren nicht täglich Fernsehnachrichten. Da sind wir StraßensozialarbeiterInnen gefragt: wir bringen Essen, mehrsprachiges Informationsmaterial und versuchen, so wie immer schon, die obdachlosen Menschen in Einrichtungen zu begleiten, wo sie andocken, verweilen und vielleicht sogar bleiben können.

Was sind die Bedürfnisse der obdachlosen Menschen im Moment?

Ganz klar Information und Essen. Wir bemühen uns beidem so gut es geht nachzukommen. Das bedeutet, dass ich derzeit viele Informationsblätter, Tee und Lebensmittel in meinem Rucksack habe. Vor allem Müsliriegel sind jetzt noch begehrter als sonst.

Was ist die größte Herausforderung im Moment?

Besonders herausfordernd ist derzeit der Umgang mit psychisch Erkrankten. Ihnen ist die Ernsthaftigkeit der aktuellen Situation manchmal nicht bewusst. Hier leisten wir dann sensible Aufklärungsarbeit. Täglich gilt es Vertrauen aufzubauen, die Beziehung zu stärken und gleichzeitig auf die veränderten Rahmenbedingungen, wie z.B. Abstand halten, vermehrte Polizeipräsenz, hinzuweisen. Das ist manchmal wirklich ein Spagat!

Gab es in den vergangenen Wochen auch schöne Momente?

Absolut! Ich merke, dass das Interesse an der Situation von obdachlosen Menschen zugenommen hat. Gerade jetzt merken viele, wie wichtig und wertvoll die eigenen vier Wände sind. Wenn sich dadurch ein größeres Verständnis für obdachlose Menschen und deren Bedürfnisse entwickelt, freue ich mich.

Wie geht es weiter?

Wir von Obdach unterwegs werden weiterhin täglich unser bestes Tun, um obdachlose Menschen zu versorgen und zu unterstützen. Das heißt, ich packe auch morgen meinen Dienstrucksack und gehe auf die Straßen, um jenen zu helfen, die kein Zuhause haben, in das sie sich in diesen Zeiten zurückziehen können.

Über Obdach unterwegs

Das Team aus StraßensozialarbeiterInnen ist täglich auf Wiens Straßen unterwegs und unterstützt mit Beratung, Lebensmitteln und Hygieneartikeln und führt obdachlose Menschen an Tageszentren, Nachtquartiere und andere Betreuungsangebote heran. Obdach unterwegs absolviert fixe Routen und geht Hinweisen durch die KälteApp nach.

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